Hintergrund zu Statistiken

Immer wieder greifen wir für unser Programm, unsere Postings interessante, relevante Statistiken auf, deren Ergebnisse auf einen selbst befremdlich wirken können: „Das stimmt aber gar nicht mit meiner Erfahrung überein“. Hier erklären wir ganz einfach, wie solche Statistiken funktionieren und warum es Sinn macht, sie zu veröffentlichen.

 


Repräsentative Statistiken sind von einfachen Umfragen zu unterscheiden. Solche Umfragen basieren stark auf Zufällen. Wenn wir z.B. in der Fußgängerzone zehn Leute zu ihrer Meinung befragen, bildet dies zehn verschiedene Meinungen ab, die für sich genommen interessant sind, aber keine Aufschlüsse erlauben, wie ein großer Teil der Bevölkerung tickt.

Das Nudeltheorem

Grob gesagt macht ihr im Privatleben auch nichts anderes, wenn ihr an einer Nudel im Kochtopf überprüft, ob sie „al dente“ ist. Ihr nehmt sie als Stichprobe, um Aufschlüsse über das große Ganze zu bekommen. Je mehr Menschen aber befragt werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, ein stimmiges Meinungsbild zu zeigen. Dabei steigt die Trefferquote exponentiell an. Ein Beispiel: Um an einer Schule mit 1.500 Schülern ein repräsentatives Ergebnis zu bekommen, muss man ca. 600 Schüler befragen. Mit 1.000 kann man schon die Stimmungslage eines ganzen Landes erfassen.

Der Wahlabend als Exempel

Dass das gut funktioniert, zeigen regelmäßig Befragungen vor Wahlen. Hier werden am Wahltag stichprobenartig (Tausende) Wähler befragt, welcher Partei sie ihre Stimme gegeben haben. Die Ergebnisse werden dann um Punkt 18 Uhr veröffentlicht. Diese Werte weichen i.d.R. dann kaum von dem tatsächlichen offiziellen Endergebnis ab. Es gibt unterschiedliche Methoden, Stichproben zu ziehen. Die gängigste ist die Zufallsstichprobe: Hier hat jeder Befragte die gleiche Wahrscheinlichkeit, in eine Stichprobe zu gelangen. Wichtig ist hier, dass an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten gefragt wird. Die Ergebnisse solcher Befragungen dienen meist Entscheidungsträgern, wie Politikern oder Managern dazu, Tendenzen zu erkennen und darauf zu reagieren. Auch Journalisten greifen sie gerne auf, um sie in ihre Berichterstattung einzubauen.

Trau, schau, wem?

Eine gesunde Distanz zu den Ergebnissen ist dennoch angebracht. Zum Beispiel sollte man schauen, wer die Statistik in Auftrag gegeben hat und wie er vorgegangen ist. Auch was genau "repräsentativ" ist, gilt als umstritten. Und nicht jede Umfrage, bei der Millionen mitmachen hat Aussagekraft. Nehmen wir als Beispiel die EU-Umfrage zur Zeitumstellung. Hier haben sich 80 Prozent der Befragten dafür ausgesprochen, dass die Zeitumstellung abgeschafft wird. Allerdings: Zwei Drittel der Stimmen kamen aus Deutschland, wobei wir nur 16 Prozent der EU-Einwohner darstellen. Es konnten nur Menschen mit Internetanschluss teilnehmen. Man konnte sowohl privat, als auch über Institutionen abstimmen, also mehrfach. Dieses Ergebnis war also EU-weit in vielfacher Hinsicht fehlerhaft. Dementsprechend schwer gestalten sich die Verhandlungen über die Abschaffung der Zeitumstellung.

 

Hier könnt ihr euch noch tiefer in die Materie stürzen.

Die Grenzen der Statistik

Am deutlichsten werden die Probleme von Statistik in der aktuellen Zeit am Beispiel der Kriminalitätsstatistik. Seit Jahren gehen insgesamt gesehen die Zahlen zurück. Trotzdem fühlen viele Menschen das Gegenteil. Hier kommen verschiedene Gemengelagen zusammen. Die Statistik untersucht nicht, wie grausam die einzelne Tat ist oder wie sie in den Medien und im privaten Umfeld aufgegriffen und verbreitet worden ist. Der psychologische Aspekt wird nicht abgebildet. Außerdem bezieht sich die Statistik lediglich auf gemeldete Straftaten. Streng genommen dürfte man also nicht sagen: „Deutschland ist sicherer geworden“. Das interpretiert die Ergebnisse auf unzulässige Art und Weise. Gleichwohl arbeiten die Sicherheitsbehörden daran, mehr über nicht gemeldete Straftaten zu erfahren, u.a. in sogenannten Dunkelfeldstudien. Immer mehr Behördenleiter verweigern mittlerweile das pure Abfeiern von immer besser werdenden Zahlen. Stattdessen werden Maßnahmen verstärkt, die dafür sorgen sollen, dass wir uns sicherer FÜHLEN, ohne dass direkt Kriminalität bekämpft wird. Dazu zählt die Präsenz von Polizei im öffentlichen Raum.

Notiz an uns selbst

Es ist auch und vor allem an uns Medienvertretern, Zahlen und Statistiken vor ihrer Veröffentlichung kritisch zu begegnen und sie einzuordnen. Sollte uns das einmal nicht gelingen, weist uns gerne darauf hin.

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