Leben im LKW - hartes Wochenende für Fernfahrer

LKW-Fahrer arbeiten gerade jetzt vor Weihnachten am Limit - und müssen an Wochenenden oft in ihren eigenen LKW übernachten und ihre Freizeit verbringen. Eigentlich ist das verboten - warum die Behörden zu wenig dagegen tun.

© Leon Pollok

Aleksandr aus Nordmazedonien strandet am Duisburger Hafen

Wir recherchieren am Duisburger Hafen, dem größten Binnenhafen der Welt. Im Logport haben viele Industriefirmen und Logistiker ihren Sitz. Container stapeln sich. Aleksandr sitzt in seinem LKW-Hänger auf einem weißen Plastik-Hocker. Es sind 4 Grad, der Himmel ist milchig-grau. Der dampfende, brodelnde Gulasch spendet etwas Wärme an diesem Sonntag. Der Topf steht auf einem Gaskocher, der wiederum in einem abgegriffenen, feuchten Karton steht. Aleksandrs Hänger ist an diesem Tag Küche und Wohnzimmer in einem.

„Die Menschen verstehen uns LKW-Fahrer nicht. Ich brauche eine Dusche, ich brauche ein normales Bett, ich brauche etwas Normales zu essen", sagt er. Für Aleksandr, 30 Jahre alt, aus Nordmazedonien, ist das hier normal: Seit zwei Monaten ist er ununterbrochen unterwegs, die Wochenenden verbringt er in seinem LKW – in Industriegebieten, auf Park- und Rastplätzen. Dieses Wochenende verbringt er auf dem Seitenstreifen einer Straße am Logport. Zu einer Toilette und Dusche muss er einige hundert Meter laufen, seine „Freizeit“ spielt sich im Hänger ab. So wie die „Freizeit“ hunderter Fahrer, fast alle aus Osteuropa, die hier jedes Wochenende stranden.

HINWEIS: Diese Recherche ist gemeinsam mit der WAZ entstanden. Mehr zum Thema lest ihr hier.

© Leon Pollok
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Gesetz verbietet Wochenend-Übernachtung im LKW

Eigentlich dürfte es solche Szenen bei uns nicht mehr geben. Seit 2017 gibt es in Deutschland das sogenannte "Kabinenschlafverbot" für LKW-Fahrer. Während die Nacht unter der Woche durchaus im Brummi verbracht werden darf, gilt das für die wöchentliche Ruhezeit, also in der Regel die Wochenenden, nicht. Die wöchentliche Ruhezeit muss in der Regel mindestens 45 Stunden dauern, sie darf nicht im LKW verbracht werden. Die Logistikfirmen müssen ihren Fahrern Zimmer in Hostels, Apartments oder sonstigen Unterkünften buchen bzw. zur Verfügung stellen.

Das Ziel der Politik: Die Fahrer sollen ausgeruht und entspannt in die neue Fahrer-Woche starten. Die LKW sind bis zu 40 Tonnen schwer, Unfälle können schreckliche Folgen haben. Deshalb sollen die Fernfahrer zumindest an den Wochenenden raus aus ihren LKW.

© Leon Pollok
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Warum wird das Gesetz missachtet?

Bilder von in Industriegebieten oder auf Autobahnparkplätzen campierenden Truckern sind auch an Wochenende weiterhin Standard - obwohl eigentlich verboten. Einige LKW-Fahrer, mit denen wir am Duisburger Hafen ins Gespräch kommen, finden das Gesetz zu praxisfern. "Wie soll ich einen LKW-Parkplatz an einem Hotel finden?" fragt der 35-jährige Sergey aus Nordmazedonien. Außerdem fühlen sich viele LKW-Fahrer verantwortlich für Ladung und Laster. Sie verlassen deshalb ihr Fahrzeug nur ungern.

Dazu kommt, dass vielen Logistikfirmenchefs das Gesetz schlicht egal zu sein scheint. Sie achten auf jeden Cent - zu Lasten der Fahrer, die oft aus Osteuropa kommen. Das Geld, dass sie in Deutschland verdienen, ist im Vergleich zu ihren Heimatländern hoch. Deshalb beharren nur wenige auf das Recht, am Wochenende außerhalb des LKW verbringen zu dürfen. Dazu gibt es schlicht zu wenige (bezahlbare) Schlafplätze an Autobahnraststätten oder gar in Industriegebieten.

Bundesamt kontrolliert - aber auch genug?

Mit dafür verantwortlich, dass die Einhaltung des Kabinenschlafverbots kontrolliert wird, ist auch das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM). Man sei „bundesweit und rund um die Uhr im Einsatz“, schreibt uns ein Sprecher. Auch regelmäßige Schwerpunktkontrollen gehörten dazu. Im vergangenen Jahr hat das BALM rund 107.000 LKW kontrolliert. Über 3.600-mal hat die Behörde Verstöße gegen das Kabinenschlafverbot festgestellt. 2019 waren es nur rund 1.000 Verstöße.

Insgesamt zeigt sich aber auch: Das BALM kontrolliert immer weniger Fahrzeuge: 2019 waren es noch 120.000 LKW, etwa 13.000 mehr als im Jahr 2023. Ein Sprecher des BALM begründet das auf Anfrage mit dem „zunehmenden Umfang an Prüftätigkeiten“ und „steigender Komplexität in den Kontrollfällen sämtlicher Rechtsgebiete“.

So hilft Trucker-Imbiss-Besitzerin Manuela Kahlke den Fahrern

© Michelle Bollen
© Michelle Bollen

Manuela Kahlke betreibt "Manu's Treff" am Duisburger Logport. Seit 18 Jahren gibt es den Imbiss, er hat immer morgens ab 5.30 Uhr geöffnet. Manuela ist nicht nur Köchin, Wirtin und Geschäftsführerin - sie hat auch ein Herz für gestrandete Trucker. "Wie kann ich denn die Menschen 48 Stunden oder länge ohne fließend Wasser lassen?" Jetzt im Winter bringe sie den Fahrern auch mal Tee oder heißes Wasser in Kannen vorbei. Im Sommer helfe sie mit kaltem Wasser aus. Die meisten Fahrer würden aber wenig annehmen, sagt Manuela, während sie Frikadellen-Brötchen für hungrige Trucker zubereitet.

Dass die Fahrer ausgeschlafen in die neue Woche starten sollen, findet sie "schwierig, wenn man 48 Stunden im LKW bei Minusgraden im Schnee verbracht hat - oder bei 45 Grad im Sommer." Ihre Forderung: Es müsse viel öfter kontrolliert werden, ansonsten würde sich nichts ändern.

Wie können wir helfen, wenn wir gestrandete LKW-Fahrer sehen? "Die Fahrer wollen einfach nur das Wochenende überleben. Ich glaube, Freundlichkeit reicht schon aus. Die freuen sich dann auch mal über einen Kaffee oder eine Tüte Plätzchen."

© Michelle Bollen
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Eine Lösung für LKW-Fahrer: Roatels?

Eine mögliche Lösung könnten „Roatels“ sein, eine Mischung aus „Road“, also Straße, und Hotel. Eine Firma aus Düsseldorf hat es sich zur Aufgabe gemacht, LKW-Fahrern an Autobahnen bequeme und trotzdem bezahlbare Schlafplätze zu bieten – in Mikrohotels. Das Konzept werde gut angenommen, schreibt uns eine Sprecherin auf Anfrage. Allerdings machten LKW-Fahrer aktuell nur rund 20 Prozent der Zielgruppe aus. Ein Indiz dafür, dass das Kabinenschlafverbot trotz Gesetz kaum umgesetzt wird.

Eine Nacht in dem Mikrohotel bekommen Fahrer für unter 50 Euro. 26 Roatels gibt es in Deutschland schon – noch kein einziges in Nordrhein-Westfalen. „NRW ist eine dicht besiedelte Region, in der der Platz für unsere modularen Standorte begrenzt ist“, schreibt uns die Sprecherin. Aber: Zwei Standorte in NRW seien aktuell in Planung. Wo genau, verrät die Firma noch nicht.

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