Virologe Hendrik Streeck zieht im Interview eine Corona-Bilanz

In Nordrhein-Westfalen läuft die immer wieder aktualisierte Coronaschutzverordnung nach fast drei Jahren aus. Wir haben mit dem Virologen Hendrik Streeck gesprochen. Er hält die Abschaffung der Maskenpflicht im ÖPNV für vollkommen richtig.


© Land NRW

Der 45-Jährige hat sich mit unserem Thorsten Ortmann zum Interview getroffen. Streeck betont, dass die wohl wichtigste Coronamaßnahme folgende war: Vulnerable Gruppen - speziell Menschen in Alters- oder Pflegeheimen - besonders über den gesamten Zeitraum zu schützen.

Seine wichtigsten Antworten zu verschiedenen Aspekten findet ihr hier zusammengefasst.

Virologe Streeck über die Möglichkeit neuer Corona-Regeln

Generell finde ich es richtig, dass man die Vorgabe zum bestimmten hygienischen Verhalten, wozu ja auch das Masketragen gehört, wieder in die Hände der Experten gibt, zum Beispiel den Hygienikern vor Ort. Die meisten Kliniken haben ihre eigenen Hygieniker oder Hygienebbeauftragten, die im Einzelfall entscheiden sollten, ob vielleicht eine Maske zu tragen sinnvoll wäre - für die Bewohner und die Ärzte und Mitarbeiter. Oder aber, ob eine Maske weggelassen werden kann. Ich denke, das sollte auch in den Praxen der Fall sein, also dass man das wieder im Einzelfall entscheidet. Zum Beispiel in einer Jugend- und Kinderpraxis, da muss vielleicht keine Maske getragen werden, in einer Praxis für Krebserkrankungen dagegen schon.

Virologe Streeck über seine Empfehlung, wo seiner Meinung nach noch Masken getragen werden sollten

Der wichtigste Tipp in meinen Augen ist, dass wenn man sich selber krank fühlt, sollte man zu Hause bleiben und auf den Mitmenschen Acht geben. Nämlich, dass man das Virus oder was auch immer man als eine Infektion hat, nicht weiterträgt. Zweitens: wenn man trotzdem vor die Tür muss, zum Beispiel wenn man die Kinder abholen muss oder weil man einkaufen muss oder ähnliches, sollte man, wenn man sich krank fühlt, auch eine Maske tragen, damit man seine Mitmenschen nicht unnötig auch exponiert zu einem Erreger machen.
Wenn man Sorge hat, sich zu infizieren, sollten Großveranstaltungen oder auch Bars und Clubs gemieden werden. Im öffentlichen Nahverkehr oder beim Einkaufen, ist die Übertragungswahrscheinlichkeit geringer, aber wenn man sich die Sorge macht, rate ich auch hier dazu, Maske zu tragen, am besten eine FFP2-Maske.

Virologe Streeck über gute und schlechte Maßnahmen in der Coronazeit

Es ist in meinen Augen etwas früh, pauschal zu sagen, welche Maßnahmen funktioniert haben und welche Maßnahmen nicht funktioniert haben. Aber generell kann man ja schon sagen, dass bestimmte Regulierungen einfach übertrieben gewesen sind, wie zum Beispiel die Maskenpflicht draußen in der Innenstadt, in der Fußgängerzone, aber auch im Park. [...] Man sollte sich die Frage stellen, wie gut so eine Maskenpflicht auf Bevölkerungsebene einen Effekt haben kann. Denn wir sehen hier sehr widersprüchliche Ergebnisse und hier muss die Wissenschaftl dann auch nochmal reingehen und versuchen, einen Konsens zu finden. In welchen Fällen zum Beispiel eine Maskenpflicht sinnvoll war und wann nicht. Ich glaube, die wichtigste Maßnahme, die wir ergreifen konnten und auch zum Teil gemacht haben, war der spezielle Schutz von vulnerablen Gruppen. Wir wussten sehr früh in der Pandemie, dass bestimmte Risikogruppen - vor allem ab einem bestimmten Alter - ein sehr hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben und die richtigste Maßnahme war, die ganz besonders zu schützen.

Virologe Streeck über die Tatsache, dass es im ÖPNV keine Maskenpflicht mehr gibt

Der ÖPNV oder ähnliche Bereiche, wo man aneinander eher vorbeigeht und nicht zusammen feiert, eng beieinander steht, sind nicht die Bereiche, wo die großen Infektionen passieren. Beim Karneval oder im Club oder Diskothek sieht das anders aus. Die Maske hatte gar keinen großen Einfluss auf das Infektionsgeschehen, sondern vielmehr einen psychologischen Effekt, nämlich, dass man an dass Virus nochmal erinnert wurde. Daher halte ich es für vollkommen richtig, dass die Maskenpflicht dort fällt. Wenn sich jemand Sorgen macht, sich in diesem Bereich zu infizieren oder auch berechtigte Sorgen macht, weil er zum Beispiel ein hohes Risiko hat, sollte man eine FFP2-Maske zum Beispiel enganliegend tragen.

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